Aus dem Katalog Square.
Sammlung Marli Hoppe-Ritter.
Annekathrin
Norrmann interessiert sich in ihrem Werk für die malerischen
Eigenschaften des Materials und dafür, wie dieses im Zusammenwirken mit
Licht zu neuen sinnlichen Ergebnissen führen kann. Dies beinhaltet auch
das Vordringen von Farbe in den Raum, wie an der unbetitelten Arbeit
aus dem Jahre 2002 zu sehen ist. Es besteht aus einem Plexiglas-Kasten,
in den von hinten ein Leinwandgemälde bündig montiert ist. Der Kasten
selbst ist matt geschliffen und mit einer dünnen Schicht eines hellen
Grüns bemalt, die Leinwand trägt in der Mitte ein aus der Achse
gedrehtes, locker hingemaltes hellrotes Quadrat, während die restliche
Fläche mit einer rosa irisierenden weißen Farbe bedeckt ist.
Die
Wirkung dieses Bildobjektes ist bestechend. Die Kombination und
Übereinanderschichtung von bemalter Leinwand und gefärbtem
Plexiglasquader als zweiter malerischer Schicht erzeugen einen Effekt,
der mit konventioneller Malerei allein nicht zu verwirklichen wäre. Die
Farben erhalten eine unergründliche Leuchtkraft, ein chromatisches
Flirren, und die Formen eine räumliche Tiefe von unklarer Position. So
scheint das rote Quadrat einerseits vor dem Grün zu schweben,
andererseits versinkt es hinter dieser lasierenden Schicht;
gleichzeitig erzeugt das Licht, das sich in dem semitransparenten
Kunststoff fängt und an der unregelmäßigen Oberfläche entlang gleitet,
in der Gesamtheit des Werkes eine Anmutung von Flüchtigkeit und
beständiger Veränderung.
Das Grundprinzip der Arbeit ist eigentlich
genau zu benennen. Norrmann arbeitet nämlich mit zwei Arten der
Farberzeugung: der Mischung auf der Palette und der optischen
Farbmischung, einer Technik, die bereits von den von Norrmann so
bewunderten Alten Meistern angewandt worden war. Sie löst jedoch den
Effekt der durch Lichtbrechung sich zu einem neuen Farbton verbindenden
Überlagerung zweier Farben aus dem Verbund einer Darstellung und macht
ihn zum Gegenstand und Thema ihrer Arbeit. Das Formenvokabular der
geometrischen Abstraktion, das sie allerdings von ihrer strengen
Konstruiertheit befreit und mit einer geradezu ungezwungenen
Leichtigkeit versieht, hilft ihr dabei, den Betrachter ganz auf dieses
Thema zu konzentrieren. Der wiederum sieht sich plötzlich mit einer
Poesie konfrontiert, die er bei auf Geometrie basierender Kunst
ansonsten eigentlich nicht erwarten würde.
Andreas Pinczewski